Die Gedanken des Justizministeriums zur nächsten Reform des Urheberrechts

Bereits am 19. Februar 2009 bat das Bundesministerium der Justiz einen unbekannten Kreis von Institutionen zu einem ganzen Fragenkatalog Stellung zu nehmen. Alle Fragen drehten sich um die geplante Neugestaltung des Urheberrechts, den sog. dritten Korb. Die Abgabefrist für Stellungnahmen war der 15. Juni 2009. Nun hat das Max-Planck-Institut für “Geistiges Eigentum”, Wettbewerbs- und Steuerrecht seine Stellungnahme veröffentlicht (PDF). Damit wurde nicht nur die Position des Max-Planck-Instituts öffentlich, sondern auch die Fragen des Justizministeriums und die impliziten Überlegungen, die hinter ihnen stehen.

Weitere Einschränkung der Privatkopie

Der erste Fragenkomplex dreht sich um die weitere Einschränkung der immer noch legalen Privatkopie. Es wird überlegt, eine private Kopie nur noch zuzulassen, wenn vom Original kopiert wird. Das ist natürlich im Zeitalter von digitalen 1:1 Kopien völlig unsinnig, da niemand erkennen kann, bei welcher Datei es sich um das Original handelt. Eine weitere Frage zielt darauf ab, ob Kopien durch Dritte verboten werden sollten. Dies zu verbieten, würde dazu führen, dass der Chef selbst die benötigten Texte kopieren muss, wenn die Sekretärin das nicht mehr für ihn tun darf. Am Schluss des ersten Teils kommt noch eine interessante Frage zu dem erwarteten Rückgang von privaten Kopien, nach weiterer Einschränkung: Müsste dann auch die Pauschalvergütung, die bisher für Privatkopien gezahlt wird, sinken?

Verbot von bestimmter Software

Im zweiten Fragenkomplex geht es um das mögliche Verbot von “intelligenter Aufnahmesoftware”. Damit will das Ministerium wohl verhindern, dass man sich Musik komfortabel aus Webradio Streams rippen kann. Bisher ist das legal und so ein Verbot würde nur Sinn machen, wenn man die Privatkopie z.B. durch obigen Vorschlag einschränken würde. Es ist höchst bedenklich, dass es schon Überlegungen gibt, noch mehr Technologien bzw. Software zu verbieten. Nach Software zum Umgehen von Kopierschutz soll jetzt vielleicht sogar Software zur Erstellung legaler Privatkopien kriminalisiert werden. Ein Wunder, dass man noch nicht über ein Verbot von P2P-Software (wie BitTorrent) nachdenkt.
Das Max-Planck-Institut ist ebenfalls gegen ein Verbot und schreibt, dass so auch die Aufnahme gemeinfreier Werke unterbunden werden würde. Ein gutes Argument, denn auch mit P2P-Software können Dateien legal getauscht werden und wir verbieten auch keine Autos, weil man mit ihnen Menschen überfahren kann.

Gefährliche Verbote

Das Max-Planck-Institut mach noch weitere gute Anmerkungen. So schreibt es z.B.

Vielleicht sollte man sich erneut vergegenwärtigen, dass die Privatkopie ihre historische Begründung im Problem der Durchsetzbarkeit findet. Sie wurde im UrhG 1965 eingeführt, weil man zu der Einsicht kam, dass private Vervielfältigungen nicht zu erfassen und zu kontrollieren sind und dementsprechend ein Verbotsgesetz nicht durchsetzbar und mit Blick auf das Rechts- und Unrechtsbewusstsein der Nutzer daher schädlich wäre.

Diese Einsicht scheint der Gesetzgeber leider schon lange wieder verloren zu haben. Ich hoffe, dass die Stellungnahme dazu beiträgt, dass er sie wieder findet.
Wenig später geht es noch großartig weiter:

Verbotsrechte, die nicht – oder nur mit unangemessenem Aufwand oder unter Beeinträchtigung wesentlicher Rechtsgüter (Privatsphäre, Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Unverletzlichkeit der Wohnung) – durchsetzbar sind und daher in bestimmten Bereichen immer weniger befolgt werden, können das gesamte System in Gefahr bringen.

Mir ist zwar nicht ganz klar, was mit “das gesamte System in Gefahr bringen” gemeint ist, aber ich stimme zu, dass Verbote dieser Art vermieden werden sollten. Wäre man hier konsequent, müsste man die Privatkopie uneingeschränkt wieder herstellen, da Verstöße gegen die momentanen Einschränkungen sowieso nicht ohne massive Grundrechtseingriffe verfolgt werden können und es gerade unter jungen Menschen kaum Unrechtsbewußtsein gibt.

Open Access, Freie Software, Panoramafreiheit und verwaiste Werke

Ein weiteres interessantes im Dokument vorkommendes Thema ist OpenAccess. Es wird ein Zweitverwertungsrecht für Urheber wissenschaftlicher Werke diskutiert. Diese könnten dann – wenn sie wollen – trotz Übertragung ihrer Rechte an Verlage, ihr Werk nicht-kommerziell nach einer gewissen Zeit verbreiten, also z.B. ins Internet stellen. Gefragt wird auch nach den Besonderheiten von “Open Access- und Open Source-Verwertungsmodellen” und wie diese mit dem bisherigem Urheberrecht harmonisieren. Open Access und Freie Software wird fast immer undifferenziert zusammen genannt und wirklich eingegangen wird nur auf Open Access. Über Freie Software wurde offenbar nicht wirklich nachgedacht. Dafür gibt es eine Frage zum Handel mit gebrauchter Software, der natürlich eingeschränkt werden soll. Das Max-Planck-Institut meint, dass dieser

nicht von vornherein mit urheberrechtlichen Argumenten unterbunden werden sollte, da sich im Grunde nur der Übertragungs- und Vertriebsweg geändert hat, nicht aber die wertungsrechtliche Situation.

Sehr beunruhigend sind auch die Überlegungen, die Panoramafreiheit einzuschränken und eine Vergütungspflicht für die Abbildung von Werken im öffentlichen Raum einzuführen. Das liefe darauf hinaus, dass wenn man Kunstwerke, wie Skulpturen auf dem Marktplatz fotografieren möchte, man erstmal die Erlaubnis des Künstlers einholen muss. Das gilt erst recht dann, wenn man das Foto kommerziell z.B. in Reiseführern verwenden möchte. Man kann ja beinah froh sein, dass diese Regelung nicht auch für Bauwerke gelten soll.

Die beiden letzten ganz interessanten Themen drehen sich um die Begriffsklärung von verwaisten Werken und der Frage, wie damit umzugehen ist. Das andere Thema betrifft die Veröffentlichung von Verträgen zwischen Verwertungsgesellschaften. Hier herrsche momentan eine “eklatante Intransparenz”.

Es bleibt zu hoffen, dass das Justizministerium genügend Organisationen konsultiert hat, die die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer vertreten und ausreichend entsprechende Stellungnahmen erhalten hat. Die Arbeit an einem neuen Urheberrecht für Deutschland hat längst hinter verschlossenen Türen begonnen und die Nutzergemeinschaft wird aus der Diskussion ausgesperrt. Öffentliche Konsultationen, wie sie z.B. in Kanada stattfinden, wären an der Zeit. Nur so kann die Netzgemeinschaft frühzeitig gegen schlechte Gesetze mobil machen und sie verhindern.

Update: Jetzt gibt es auch eine Liste mit vielen Stellungnahmen auf den Fragebogen des BMJ zum Dritten Korb.


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